Die Suche nach der Schönheit, Teil III (213)

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„Du hast ja keine Ahnung, natürlich ist das ein Kunstwerk!“ So oder so ähnlich könnte mir auch jemand vorwerfen mich geäußert zu haben, wenn ich manche Kunst intuitiv beschreiben müsste. Kann es aber wahrhaft so sein, dass jemand keine Ahnung von dem hat, was Kunst sein könnte?

Der ästhetische Blick kann geschult werden. So das gängige Verständnis der Sachverständigen. Friedrich Schiller beschreibt es in seinem Werk „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ sehr anschaulich, da er Schönheit in Verbindung mit gesellschaftlicher Moral und Freiheit bringt. Im Zuge der Persönlichkeitsentwicklung des Menschen kann man davon ausgehen, dass Schönheit, wenn sie als etwas Vollkommenes verstanden wird und Hässlichkeit als unvollkommen, grundsätzlich erkannt wird. Nuancierungen dessen, sowie Übergänge von einem Extrem zum anderen Extrem, wie auch nur marginale Unterschiede kennzeichnen die möglichen Erwägungen.

Wenn Ästhetik erlernt werden kann, so bedeutet das im Umkehrschluss, dass es Wesen gibt, die eines ästhetischen Blickes oder Verständnisses entbehren. Dieser Zustand kann über kurz oder lang so erhalten bleiben. Wird das Wesen nicht geschult, ausgebildet oder gebildet, so wird es einer eventuellen Ästhetik vielleicht niemals gewahr. Weiterhin gibt es demnach unterschiedliche Stufen der Erkenntnis. Je weiter ein Wesen gebildet worden ist, desto sicherer erkennt es eine Ästhetik.

Heißt es aber im Gegensatz zu dieser Annahme, dass ein ungebildeter Geist nicht in der Lage wäre, Ästhetik zu blicken? Erkennt ein unbedarfter Mensch nicht die Harmonie (hier in Ergänzung zur Ästhetik verwendet) eines Musikstückes? Kann ein nicht durch die musische Bildung geformter Mensch die Eloquenz einer Dichtung, die brillanten Pinselstriche eines Malers oder die atemberaubende Plastizität einer Arbeit eines Bildhauers erkennen? Mitnichten, möchte ich meinen, doch da es hier nicht um die einzelne Person geht, trägt die musische Bildung in der statistischen Summe doch: Die Wahrscheinlichkeit ist einfach um ein Vielfaches größer ein ästhetisches Werk zu erkennen, wenn einem betrachtenden Wesen eine ästhetische Bildung zu Teil wurde.

Wird eine Beschreibung durch die Fähigkeit ihrer Herleitung wertvoller als ohne diesen Hintergrund benennen zu können? Nicht unbedingt, nur die Wahrscheinlichkeit ist definitiv größer, dass etwas überhaupt erkannt wird, wenn die einzelnen Komponenten geläufig sind. Schönheit wird in jedem einzelnen Genre definiert durch bestimmte Inhalte, Merkmale oder einzelne Kompositionen.

Deute ich den trivialen Ausspruch: „Schönheit liegt im Auge des Betrachters!“ einmal näher, so liegt diesem Ausspruch eine deutlich klarere Bedeutung, als die landläufig gängige, zugrunde: Schönheit als Objekt besitzt einen absoluten Wert, wobei das betrachtende Subjekt dabei in der Lage ist, nur einen ihm bekannten, erlernten, geläufigen Wert dieser Schönheit überhaupt wahrzunehmen in der Lage ist. Du erkennst nur die Schönheit, die Du gelernt hast zu erkennen. Dabei kann der Begriff „Schönheit“ in manchen Fällen sehr viel weiter gesteckt werden, etwa als Kunst-werk, oder als Naturschauspiel, als vom Menschen geformtes oder natürlich entstandenes Objekt, dessen Inhalt nicht nur schöne, sondern auch gewöhnliche bis außergewöhnliche, bizarre oder skurrile Erscheinungen widerspiegeln vermag.

6 Gedanken zu “Die Suche nach der Schönheit, Teil III (213)

  1. Ja, das Thema ist unendlich. Und kann leider, wenn es um Schönheitswahn und Gesundheit geht, auch sehr ernst werden. Kurz zusammengefasst ist es für mich aber so, dass sich das (zumindest in meinem Leben) auf natürliche Weise regelt. Und die Gründe dafür sind mir letztliche egal. Auch ich bin „eitel“ und möchte mich vorteilhaft präsentieren. Aber die fotografische Welt ist eine …. nein, nicht unbedingt Scheinwelt, aber zumindest Parallel-Welt. Das fasse ich weit und meine damit nicht nur Fotos, sondern die bildhafte oder filmische Darstellung von Menschen allgemein. Alles relativiert sich aber im „realen“ Leben. Und wenn mich da jemand „schön“ finden sollte, freut mich das. Schnell würde ich merken, was er mit Schönheit verbindet. Das gleiche gilt, sollte mich jemand „hässlich“ finden. Und das ist dann der Punkt.

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    • Das meine ich auch. Die mediale Darstellung von Menschen ist praktisch immer „entfremdet“, wenige Fotografen, (im Verhältnis zur Masse) zeigen die unbearbeitete Realität, die selbst nur ein Momentausschnitt ist und Sekunden später unwiederbringlich verändert sein könnte. Das nur zu erkennen ist für die Vielzahl der Betrachter nicht möglich, gewollt oder gleichgültig. Allein die Wirkung ist frappierend. Mal sehen, wie weit das den Alltag beeinflussen wird. (Nebenbei, ich finde surreale Veränderungen in Portraits anziehend, also nicht per PS, sondern in der Komposition.)
      Wie man selbst wirkt, ist für mich tatsächlich auch eine Sache der Empfindung. Als Mann etwas anders, als bei Frauen, in dieser Gesellschaft. 🙂

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  2. Etwas oder jemanden „schön“ finden, ist ein konsumierender Sinneseindruck, der ein wohliges Gefühl schafft, aber keine aktive Beschäftigung mit dem Objekt oder Subjekt verlangt.

    Etwas oder jemanden „interessant“ finden, bedeutet, über den Begriff der „Schönheit“ weit hinaus auch andere Eindrücke aufgenommen zu haben als nur idealtypische Optik. Und bewirkt gerne Neugierde an und aktivere Beschäftigung mit der Person. Daraus können dann differenzierendere Vorstellungen von Attraktivität, Charisma, Charakter entstehen.

    Ich ziehe es vor, interessant gefunden zu werden. Äußere Schönheit ist zu flüchtig.

    LG Briba

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    • Hallo Briba, ich danke Dir für den qualifizierten Kommentar 🙂
      Grundsätzlich stimme ich Dir zu, was die über die pure Schönheit hinausgehenden Empfindungen über „Etwas und jemanden“ angeht, was ich auch schon weit früher in einigen meiner zugegeben relativ vielen Artikel einräumte. Die Beschäftigung mit dem Thema Aussehen und Schönheit, mit der Wirkung auf uns Menschen bleibt tatsächlich an der Oberfläche der scheinbar unendlich vielen möglichen Empfindungen.
      Auch Deine Eingabe, „Äußere Schönheit ist zu flüchtig.“ ist sehr treffend bemerkt, da wir Menschen, als Sender und Empfänger uns beständig und fortwährend verändern. Trotzdem versuchen wir alles, dies ins „Positive“ zu lenken, jeden Tag.
      Beinahe ganz vernachlässigt, das sehr bewusst, habe ich in meinen Beiträgen die Gefühlsseite, die viel weiter geht, als die Wirkung jeder Schönheit. Ein Blick, ein Wort, eine Tat, eine Berührung, vieles löst in uns eine nachhaltigere Beziehung zu anderen Wesen (manchmal auch Dingen) aus.
      Nachzudenken hätte ich über Deine Einschätzung von Schönheit als zu konsumierendes Gut. Da, meine ich, greift es etwas zu kurz, da eine Schönheit im Sinne von Besonderheit, Außergewöhnlichkeit für eine erste Wahrnehmung notwendig erscheint. (Ausnahme bspw. vielleicht eine Brieffreundschaft?) Dazu müssten wir aber vielleicht erst den Begriff der Schönheit genauer definieren, um zu wissen, was der andere meint.
      Interessant ist schon eine Stufe über der Schönheit, oder? Interessant hat für mich etwas von Kausalität, da es meinen Gedanken, bzw. dem Denken entspringt. Jemand ist interessant, es ist spannend herauszufinden, warum. Im Gegensatz dazu die Schönheit, sie soll an sich zuerst ohne jede Wertung sein.

      Wenn ich fotografiere, dann geht es mir unbedingt um eine besondere Ausstrahlung, die ich, als Fotografierender in einer Aufnahme wiedererkennen möchte, das Wesen des Menschen möglichst natürlich zu portraitieren.

      Ich hoffe, für Dich nicht zu ausführlich geantwortet zu haben, es könnte tatsächlich noch viel mehr sein.
      LG Mies

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      • Unbedingt vielen Dank für die ausführliche Antwort. Grundsätzlich sind wir uns einig. Auch wenn -natürlich- nicht identisch denken. Zum Glück.

        Definieren lässt sich der Begriff „Schönheit“ über die idealtypische Definition (Fromen und Symmetrien). Das deckt dann soz. populärwissenschaftlich eine Menge ab. Ist für mich persönlich und wahrscheinlich für die wenigsten Menschen aber real nicht relevant. Wieder: Zum Glück.

        Letztlich ist das Thema ja auch eng verknüpft mit den rudimentären Instinkten des Menschen. Welche im Laufe der Evolution -mehr oder weniger- durch Anpassung an die Bedingungen und die sozialen Standards …. mutierten? Aber wohl nie ganz verschwinden werden: Der grundsätzliche Fortpflanzungstrieb zum Bestand der Art. In der auch die Schönheit eine Rolle spielt. Ein breites Becken -von Männern gerne bewundert- verheißt gute Gebärmöglichkeit. Zumindest war das so in Zeiten ohne medizinische Möglichkeiten.

        Keine Diskussion zu Deinen Themen wird zu einem absoluten Konsens führen. Weil keine wissenschaftliche Analyse und Statistik jemals die ganz individuelle Empfindung von Menschen einschließt. Und jede individuelle Meinung ihre Berechtigung und „Wahrheit“ hat.

        Auch das ist ganz wunderbar so: So findet auch ein vermeintlich „hässliches“ Töpfchen seinen Deckel. Und der bleibt auch gerne drauf. Selbst wenn es mal heftig dampft. 🙂

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        • Auch meine Meinung ist es, dass die ursprünglichen Instinkte uns Menschen viel mehr bedingen, als wir glauben. Viel schneller und sehr viel stärker beeinflussen sie uns. Eher, als unser in dem Falle überfordertes Gehirn die Angelegenheit erfasst, durchdacht, abgewogen und entschieden hat. Gibt’s spannende Dokumentationen zu.

          Einen Konsens zu finden versuchen die Menschen schon seit es Überlieferungen gibt: bisher vergeblich. Aber, wie Du sagst, warum auch. Alle Menschen sind jeweils zu jedem Zeitpunkt ein eigenes Universum. Manches kommt zu Tage, anderes verschwindet, manches erscheint nie, wieder anderes bleibt hartnäckig. Interessant sind die Begegnungen und das, was jeder daraus in der Lage ist zu machen. Und natürlich, letztlich Aussehen ist einer von vielen Berührungspunkten, die eine Rolle spielen. Vielleicht wird er zur Zeit der Entdeckung der aktuellen Medien vom Menschen überbewertet. Vielleicht aber auch nur in der Öffentlichkeit, denn wie Du sagtest, Topf und Deckel, und Hauptsache, es dampft hin und wieder etwas 🙂
          Die Richtung, in der sich mein Blog entwickelte, (zu Beginn ahnte ich es auch nicht) geht schon in Richtung Verallgemeinerung und Theorie, allein durch die ewige Suche nach der Erkenntnis und der Erklärung. Obwohl ich mich lange Zeit mit dem Zen beschäftigt habe, bin ich noch immer der Wissenschaft sehr verbunden. Wird aber! 😉

          So gibt es in der Attraktivitätsforschung immer wieder Erkenntnisse, die allgemein Gültigkeit besitzen. Bei jedem von uns. Wie wir damit umgehen, was wir daraus machen, das steht auf einem anderen Blatt. Relevant, und da würde ich wieder einmal Bedenken streuen, wird es dann, wenn unser Verhalten wie es sich aktuell abzeichnet, sehr stark durch medialen Druck beeinflusst wird. Gerade junge Menschen sind anfällig. Wenn Du nicht sehr davon beeinflusst bist, so möchte ich sagen, ohne dass ich Dich kenne, dass es Dich auszeichnet, doch diese Erkenntnis kam sicher nicht von allein. 🙂

          Im Laufe der Geschichte gab es schon viele Moden, auch schlank war häufiger angesagt, als man meinen könnte. Nur die Methoden, wie etwas erreicht werden kann, sind „anders“ :-/ Darauf einzugehen würde sehr ins Politische gehen, nicht falsch, aber hier zu lang. Wieder! (Peinlich-verschämt weg guckend jedoch mit einer kleinen Prise Ironie)

          LG

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