Die Idealvorstellung, die Idee von der Schönheit des menschlichen Körpers ergreift uns mit jeder Ansicht eines schönen Körpers immer wieder von Neuem. Sie erinnert uns an eine vollkommene Daseinsform, die von Malern, Bildhauern, und auch Bildbearbeitern in unser Blickfeld gerückt wird und uns immer wieder eine Realisierung der idealen Form wach ruft.
Ein kürzlicher Besuch in der Karlsruher Kunsthalle ließ mich über die Ansicht des menschlichen Körpers nachdenken. Je nach Jahrhundert stellten die Maler ihre Musen mit den unterschiedlichsten Proportionen sowie in unterschiedlichsten Farben dar. Im 16. Jhd. erschienen die Formen runder gewünscht, die Blässe verstärkt und die Augen kindlich vergrößert gefordert. Nur knapp 200 Jahre später durften die Gemälde die Personen, Frauen, Körper schon etwas schlanker sein, die Gesichter ebenmäßiger mit nicht mehr nur mit in Kalk gemeißelter Haut portraitiert werden. Wieder 200 Jahre später könnte ich es wagen, gar von Schlankheit zu sprechen, die Werke der regionalen Schulen der Malerei in Europa zeigen dazu deutliche Hinweise. Der Besuch, obwohl gerade viel im Umbau wegen seiner Degas – Sonderausstellung war inspirierend.
Doch es rief in mir auch jene Gedanken wach, die sich mit der Form als die vergänglichste der körperlichen Eigenschaften, als ein Geschenk der Jugend, und eine Baustelle der Zeit danach darstellt. So sehr ich in meinem Blog der wunderbaren Form des Pos eine Hommage setzen möchte, so sehr ist mir die unaufhaltsame Vergänglichkeit aller Körperlichkeit der Stachel im Fleische. Auch wenn die marmornen Körper des Auguste Rodin oder Wilhelm Lehmbruck
Generationen überstehen, vielleicht auch die ein oder andere Malerei und sogar Fotografie der Zeit ein wenig den Verfall abringt, so kann der menschliche Körper doch nur eine kurze Zeit das Vorbild, das Modell für die Ewigkeit sein. Es ist in der Geschichte der Menschheit nur die Erhaltung derselben, die uns in immer neuer Jugendlichkeit die Schönheit der Mona Lisa wiederfinden lässt in der Schönheit von Ikonen der jeweiligen Epoche davor oder auch danach. Jeder Mensch kann es sein, ein Vorbild für ein Kunstwerk der Zeit. Jenseits von modischen Formen liegt es im Auge und der Hand des Künstlers, Kunst zu erschaffen, die er aber ohne sein Modell nur schwer, wenn überhaupt erschaffen kann.
Zeiten, in denen heutige Kunstwerke nichts bedeuteten als Schund, der Künstler verhungerte, dessen Bilder heute einen Wert von hundert Jahreseinkommen eines arbeitenden Menschen übersteigt zeigt die Willkür und aber auch Freiheit in der Darstellung der allgegenwärtigen Schönheit des Menschen!
Die berühmtesten aller Modelle waren einst nicht mehr als der Bursche vom Hof nebenan oder das Mädchen aus der Wäsche am Flusse. Es war vielleicht nur die Schwester eines Freundes oder der Sohn des Nachbarn. Was hätte Salvador Dali ohne seine Frau gemalt, die ihm Muse und Inspiration zugleich war, wie wurde Claudia Schiffer einst in Düsseldorf auf der Straße von Karl Lagerfeld entdeckt? Warum soll nicht die Kassiererin vom Supermarkt um die Ecke eine Muse der Künste sein, deren Ausdruck den Betrachter des Bildnis‘ von ihr entzückt?
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