Wieviel Körper braucht Dein Bild? [111]

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Du weißt, ich fotografiere seit fast 40 Jahren Menschen. Mal mehr, mal weniger. Nicht hauptberuflich, sondern als Amateurfotograf. Männer sind nur sehr selten vor der Kamera, zu 99% sind es Frauen. Du könntest einwerfen ’natürlich‘, sie sind das schöne Geschlecht. In wie weit das stimmt oder gesellschaftlich festgelegt ist, sei einmal dahingestellt, Fakt ist, dass in unserer Gesellschaft die Frau als das schönere Geschlecht gilt und in nahezu allen Bereichen, die mit der Abbildung von Schönheit zu tun haben, Frauen bevorzugt abgebildet werden.

Auch ich mache da keine Ausnahme. Ziemlich viel habe ich schon darüber geschrieben, weshalb es so ist, warum ich mich fotografisch viel mehr dem Weiblichen widme, und das möchte ich hier nicht wiederholen. In diesem Beitrag stelle ich meine Bilder und die der anderen Lichtzeichner, die die Frau als das spannendste Motiv auserkoren haben, zur Disposition, indem ich frage, wieviel vom Körper einer Frau auf einer Fotografie zu sehen sein sollte, um eine bestimmte Bildaussage zu kreieren.

Vordergründig geht es um den Sinn und Zweck einer Fotografie. Es bedarf der Erläuterung, wozu diese erstellt wird und wo sie gezeigt werden soll. Dieses Ziel ist für mich untrennbar mit dem Motiv und seiner Darstellung verbunden. Was ist denkbar auf einem Foto? Betrachte ich meine Bilder, so sehe ich einen Querschnitt durch alle Möglichkeiten. Mal ist mehr Körper zu sehen, mal weniger. Mal sehe ich fast nur die Augen, ein anderes Mal noch Hände dazu, Arme, einen Oberkörper, einen gesamten Körper. Wie verändere ich die Bildaussage mit der Hinzunahme oder der Ausgrenzung von Teilen des Körpers?

Der Fokus richtet sich auf eine Sache, indem diese hauptsächlich abgebildet wurde und nicht durch zu viel „Beiwerk“ davon abgelenkt wird. Auf das Wesentliche zu fokussieren ist ein klassischer Leitsatz der Fotografie, Worte, wie „Ist Dein Bild nicht gut, so warst Du zu weit weg“ von berühmten Leuten der Fotografie beschreiben es. Gehe ich einen Schritt zurück, so erscheinen mehr Dinge im Bild. Also was und wie viel, so die Frage, soll von einem Menschen zu sehen sein?

Außer im Bereich der Bodyparts, also der gezielten Fotografie einzelner Körperteile oder Körperbereiche, stellt sich mir die Frage, was grenze ich aus für eine Aufnahme, was beziehe ich mit ein. Was könnte stören in einer Bildaussage und was ist so belanglos, dass es wirkungslos bleibt. Gibt es Körperteile, die eine bestimmte Aussage implizieren, sind darunter solche, die unbekleidet eine stärkere Aussage geben als bekleidet oder die mit ausgewählten Kleidungsstücken eine besondere Bedeutung suggerieren?

Klar, sie gibt es, jeder kennt sie, schließlich werden wir alle durch die Werbeindustrie mit ihnen bombardiert. Nicht, weil es die Werbung so toll findet, nein, sondern weil wir sie lieben, weil sie auf uns wirkt und wir uns beeindrucken lassen! Ja, auch auf Dich wirkt es. Es müssen nicht einmal die primären Geschlechtsmerkmale sein, die in einer Abbildung wirken, beziehungsweise deren Andeutung. Es können andere Körperteile sein, wie etwa eine entblößte Schulter, ein langes gerades Bein oder ein Spalt breit ein Stück Bauch im richtigen Licht. Ein Bizeps eines Mannes oder eine Pobacke angedeutet suggeriert uns Kraft, Ausdauer und Stärke, Eigenschaften, die seit je her gesucht sind. Auch deshalb ziehen sie uns an.

Zurück zum Bildnis, welche Aussage wird verändert, wenn mal mehr Bein oder weniger Bein, ein Schlüsselbein unter zart gebräunter Haut, eine kleine Lücke zwischen Wollpulli und Bund der Jeans zu sehen ist? Was sagt diese Idee aus, was fehlt ohne ihre Umsetzung? Mir kommt es grundsätzlich auf den Gesichtsausdruck an, der steht für mich ganz oben. Dieser spiegelt die Gefühle der Seele wider, dieser gibt dem Bild eine Geschichte. Alles andere ist Beiwerk, dient der Unterstützung oder auch der Ablenkung. Sicher, es reizt (auch mich) eine Andeutung eines Körperteils, das man sonst entweder selten sieht oder im vorhandenen Kontext eine ungemeine Spannung erzeugt, aber wie viel ist notwendig, um diese Spannung zu erzielen und wann wurde (wie so häufig) über das Ziel hinaus geschossen?

Verhielte es sich nicht so spannend, würden wir alle nur noch Portraits ohne Körper sehen, vielleicht nur Augen (und Mund), deren Aussagekraft ein immenses Spektrum abdecken. Man rufe sich das Portrait des afghanischen Mädchens Sharbat Gula vom Fotografen Steve McCurry in Erinnerung. Mehr als Ihre Augen wären wahrscheinlich zu viel gewesen. Doch es ist nicht der Fall, dass wir nur Portraits sehen. Abgesehen von anzüglichen Bildern, beziehungsweise solchen, die gesellschaftlich so tituliert werden, wirken Körperpartien wie ein Magnet auf uns, ob von Amateurfotografen (wie mir) oder solchen, die Bilder für die Werbung produzieren, respektive deren Auftraggebern erwünscht sind, erstellt. Hast Du selbst schon einmal analysiert, warum Dir ein bestimmtes Bild so sehr gefällt, wie es das tut? Was wäre, wenn bestimmte Elemente des Motivs extrahiert oder verdeckt würden, vielleicht durch eine Pflanze? Es ist für mich spannend, und ich denke, es ist einer weiteren Betrachtung wert. Also mehr in Teil zwei.