Kommunikation, oder „Wie meinst Du?“ (204)

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Du verstehst die Menschen recht gut, oder? Du sprichst die Sprache der Menschen, mit denen du zusammen lebst, du hast ähnliche Gedanken, Meinungen und Gefühle, wie sie. Du siehst ihnen meist an, wenn sie dich nicht verstehen, oder? Du bist nicht immer einer Meinung mit ihnen, aber deshalb kannst du mit ihnen diskutieren, nicht wahr?

Kommunikation kann ein weites, spannendes Feld sein. Beinahe täglich erleben wir, welche Blüten diese Pflanze hervorbringt. Zum einen als Zuschauer, zum anderen als Involvierte suchen wir in unserem Repertoire nach einer Übersetzung eines Verhaltens, gleichen ab, ordnen ein, schließen aus, berichtigen wieder, und irren uns doch ständig. „Wie hat er das gemeint?“ „Was will sie mir damit sagen?“ „Hä?“

Es kommt vor, dass wir weiter fragen. Vielleicht noch öfter kommt es aber vor, dass wir nicht weiter fragen! Wie geben uns damit zufrieden, einen Gedanken gebildet zu haben, der da sagt: „Ja, so wird es wohl gemeint sein, der Kontext lässt es höchstwahrscheinlich zu. Es wird sich zeigen, ob es so gemeint war, irgendwann.“ Außerdem haben wir schließlich gar nicht die Zeit, es eingehend zu klären, viel zu umfassend sind unsere Aussagen, beziehungsweise stehen noch so viele andere Sätze in der Warteschleife, die wir unbedingt anbringen möchten, da können wir uns unmöglich länger bei diesem einem Thema aufhalten.

Was vielleicht zusätzlich zu bedenken ist, ist die Tatsache, dass eine Aussage, die am Ende tatsächlich geklärt wurde, bedenklicherweise etwas bedrohlich verbindliches innehat. Dabei lässt sich doch unverbindlich so bequem leben. Wie gut kann man sich immer noch herausreden: „D A S habe ich so aber nicht gemeint!!!“ Klingt schon ganz vertraut, oder? Die unverbindliche Aussage lässt uns so viele Fluchtwege offen, warum sollten wir uns diese verbauen. Es könnte nachher noch jemand auf die Idee kommen, wir seien authentisch. Noch schlimmer, es könnte der Eindruck entstehen, wir verträten einen Standpunkt und hätten gar eine eigene Meinung.

Klar, in großen Fragen haben wir eine Bewertung, wissen, wozu wir stehen, was wir erwarten und was unterstützen. Allein in unserem täglichen Kontakt mit den Menschen lieben wir es doch eher vage. Wie sind schließlich frei. Doch, glauben wir wirklich. Wir sind so frei, dass wir uns die Freiheit nehmen, selbst zu entscheiden, wie viel wir zugeben, was wir kundtun, wozu wir beitragen und vor allem, wie weit wir gehen. Lieber einen kleinen Schritt hi und da, als einen anstrengenden Weg. Der könnte schnell zu mühsam werden, wir müssten möglicherweise Flagge zeigen und unsere Richtung offenlegen. Schrecklich verbindliche Sache! Und das, wo uns doch so viele Möglichkeiten offen stehen.

Zurück zur Kommunikation. Weißt du, wie viel Kommunikation täglich über dich herein bricht? Vielleicht sind es viel weniger die persönlichen, zwischenmenschliche Worte, sondern viel mehr Worte, Taten, Handlungen und Aufrufe durch Figuren auf Bildschirmen und Plakatwänden, Zeitungsseiten und Monitoren. Gehört Heidi Klum und Dieter Bohlen auch schon zu deinem nächsten Freundeskreis, der mehrmals in der Woche in Deinem Wohnzimmer zu Gast ist. Oder ist es Dieter Nuhr und Abdelkarim, der des Abends dir die Welt erklärt? Vielleicht guckst du aber lieber YouTube Videos von Katzen, die sich vor Gurken erschrecken?

In wie weit halten wir es für bare Münze, diese Possen, die uns -mehr oder weniger- frei Haus geliefert, oftmals so schön über den Dingen stehen lassen, als Beispiele der menschlicher Kommunikation zu werten? Abgesehen von dieser zwischenmenschlichen Einbahnstraße bestimmter Medien und den aufbereiteten Wortlauten finden sich bei diesem Konsum erste Anzeichen von Realitätsverlust bei uns Individuen. Verlernen wir das Sprechen. Bestechend ist die mediale Welt besonders für junge Menschen, die statt langer, persönlicher Gespräche gern die kurze WhatsApp-Message nutzen. Wie soll es werden, wenn irgendwann tatsächlich persönliche Gespräche erforderlich sind, und nicht nur Worte fehlen, sondern auch die Empathie, den anderen zu sehen und zu erkennen, zu spüren, was der andere meint.

Die Masse der Menschen um uns herum entbehrt zunehmend der Fähigkeit der zwischenmenschlichen Kommunikation, nicht nur, weil es immer mehr Individuen sind, von denen jedes eine neue Sichtweise und Ausdrucksweise mitbringt, auf die wir uns einstellen können, sondern weil die persönliche Kommunikation immer weniger gesucht wird, so haben es verschiedene Studien bestätigt.(2008)

Vielleicht sollten wir alle wachsam sein und uns Gedanken machen. Doch dabei sollen wir es nicht bewenden lassen. Der nächste Schritt ist noch wichtiger, wir werden etwas tun. Suchen wir das Gespräch. Nicht die Floskel. Ob mit dem Partner, dem Freund, dem Feind, diskutiere. Wohl denen, die es tun. Führen wir wieder Gesprächsabende innerhalb unserer Gemeinschaft ein, fördern wir Gesprächsbereitschaft und vor allem die Fähigkeit dazu. Es lohnt sich. MEINE ICH!